DCV / KNA
Besorgniserregend sei vor allem die Absicht des aktuellen Entwurfs, die Gleichrangigkeit von Eingliederungshilfe und Pflegeversicherung aufzuheben. Der Caritasverband wendet sich mit dieser Kritik direkt an die Mitglieder des Landtages und die Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Er fordert, die Leistungen weiter gleichrangig zu behandeln - wie es auch das aktuell geltende Recht vorsieht. Das heißt, dass zum Beispiel eine Person mit schwerer, körperlicher Behinderung derzeit sowohl finanzielle Leistungen aus der Pflegeversicherung erhält, ebenso wie die Eingliederungshilfe zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben vom Sozialamt. Geht es nach dem neuen Gesetzentwurf, sollen in Zukunft die Leistungen der Pflegeversicherung gegenüber den Leistungen der Eingliederungshilfe Vorrang haben, wenn die betroffene Person im privaten Haushalt lebt. Der Unterschied in den Leistungen besteht darin, dass die Eingliederungshilfe zum Ziel hat, Menschen mit einer Behinderung in die Gesellschaft einzugliedern und die Folgen ihrer Behinderung zu lindern sowie Verschlimmerung zu vermeiden. Aufgabe der Pflege ist es, die Selbständigkeit des Hilfeempfängers zu erhalten und zu fördern, vorhandene Ressourcen zu nutzen und Fähigkeiten wiederzuerlangen.
Wenn also die Pflege Vorrang erhält, besteht die Sorge darin, dass die Hilfen zur Eingliederung in den Hintergrund geraten. Es ist außerdem damit zu rechnen, dass die Pflegeversicherung die Finanzierung von mehr als 100.000 Menschen mit Behinderung übernehmen muss. Dies würde das System der Pflegeversicherung dauerhaft belasten. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass die Pflegeaufwendungen bei Menschen mit Schwerst- und Mehrfachbehinderung durch die Leistungen der Pflegekassen nicht gedeckt werden können, sondern auch die Leistungen zur Hilfe zur Pflege zu beantragen wären. Dadurch würden neue finanzielle Belastungen für die Träger der Sozialhilfe entstehen.
"Diese finanziellen "Verschiebebahnhofe" sind unbedingt zu vermeiden, damit keine nachhaltige Verschlechterung der Lebenssituation der betroffenen Personengruppe eintritt. Menschen mit Behinderung und deren Angehörige dürfen nicht in Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen Kostenträgern zerrieben werden", verdeutlicht Christian Germing, Leiter des Ressorts Arbeit und Rehabilitation beim Caritasverband. Für die betroffenen Menschen mit Behinderung sei es wichtig, dass Teilhabe- und notwendige Pflegeleistungen gleichrangig gewährt werden und aus einer Hand erfolgen. "Mit der geplanten Vorrangstellung der Pflegeversicherung droht ein Rückschritt in das, in der Behindertenhilfe überwunden geglaubte, "medizinische Modell". Wir halten es daher für dringend geboten, die Gleichrangigkeit zu erhalten und dies auch entsprechend in das neue Gesetz aufzunehmen", fordert Johannes Böcker, Vorstand des Caritasverbandes.