Wenn man sich selbst um 7 Uhr auf den Weg zur Arbeit macht, hat die Pflegekraft, die gegenüber parkt, schon vier Patienten versorgt, zwölf stehen noch auf ihrer Liste. Bei Herrn H. wurden die Stützstrümpfe angezogen, Frau S. hat Hilfe beim Waschen und Anziehen erhalten. Bei Frau K. wurden die Medikamente für die kommende Woche in die Tablettenbox sortiert, für das Säubern und frische Verbinden der Operationswunde von Herrn T. stehen acht Minuten zur Verfügung.
Viel Zeit hat die Pflegekraft nicht, den Weg zwischen Parkplatz und Eingangstür des nächsten Patienten legt sie in schnellen Schritten zurück. Im Gehen sucht sie aus dem großen Schlüsselbund den Schlüssel von Ehepaar W. heraus. Herr W. ist auf den Rollstuhl angewiesen, seine Frau leidet an einer Demenzerkrankung, die Tür könnten sie der Pflegekraft erst nach langem Warten öffnen. Nachdem die Pflegekraft den beiden beim Waschen geholfen hat, ist sie auch schon auf dem Weg zu Herrn M., um dessen Frau bei seiner Körperpflege im Pflegebett zu unterstützen. Dazwischen dokumentiert die Pflegekraft den Verlauf und wichtige Informationen im digitalen Übergabebuch - schließlich muss auch die Mittags- und Abendschicht wissen, wie die Lage bei den einzelnen Patienten ist. Wenn alle Patienten der Frühschicht versorgt sind, fährt die Pflegekraft noch bei zwei Hausärzten vorbei um Rezepte abzuholen. Auch in der Apotheke und dem Sanitätshaus ist sie ein bekanntes Gesicht.
Noch bevor die Pflegekraft der Sozialstation ihre Frühschicht beendet, ist Frau W. in der Caritas-Tagespflege angekommen. Die dortigen Pflegekräfte kümmern sich gemeinsam mit den Betreuungsassistentinnen um die Dame sowie um dreizehn weitere Tagespflegegäste. Der Tag startet mit einem Frühstück, danach steht ein Blick in die Tageszeitung auf dem Programm. Anschließend hilft die Pflegekraft Frau W. auf die Toilette. Die Betreuungsassistentin unterstützt Frau W. danach beim Kreativangebot des heutigen Tages. Dann zieht auch schon der Mittagsessensduft durch die Tagespflege. Täglich wird das Mittagessen mit viel Liebe durch die Hauswirtschaftskraft in der Tagespflege zubereitet und Frau W. bekommt die Salzkartoffeln mit Rahmgemüse mundgerecht zubereitet. Eine Pflegekraft leitet Frau W. beim Essen an, damit ihre Selbständigkeit möglichst lange erhalten bleibt.
Diesen fiktiven Vormittag von Pflege- und Betreuungskräften könnte man noch weiterspinnen - oder wir lassen uns auf ein Gedankenexperiment ein: was wäre, wenn die Pflegekräfte ihre Arbeit nicht aufnehmen würden? Herr H. bekäme eine Thrombose, Frau S. verbrächte einen weiteren Tag ungewaschen in der Kleidung des Vortags, Frau K.s Blutdruck entgleist völlig, Herrn T.s Wundentzündung führt zu einer Blutvergiftung. Herr W. kann seine demente Frau nicht über den ganzen Tag hinweg gut unterstützen, die Nerven liegen abends schon blank und die Kinder kommen erst am Wochenende wieder vorbei. Frau M. kann ihren Mann nicht alleine im Pflegebett wenden, er läuft Gefahr, sich wundzuliegen.
Diese oder ähnliche Szenarien wären vorprogrammiert, wenn die Pflege plötzlich nicht mehr durchgeführt würde. Und noch etwas ganz Entscheidendes würde ebenfalls fehlen: das wohltuende kurze Gespräch, der aufmunternde Zuspruch, das Ohr für die Sorgen, das gemeinsame Lachen.
Gut, dass das Gedankenspiel eben nur ein solches ist! Aber es hilft, uns bewusst zu machen, was durch die Pflegekräfte täglich geleistet wird. Dies sollte nicht nur am heutigen Tag der Pflege im Fokus stehen.
In Zahlen - jeden Tag werden durch den Caritasverband für den Kreis Coesfeld:
ca. 600 Patienten in der ambulanten Pflege versorgt
ca. 70 Klienten durch Betreuungs- und Hauswirtschaftskräfte unterstützt
ca. 80 Gäste in den Caritas-Tagespflegeeinrichtungen betreut