Angestoßen von der UN-Behindertenrechtskonvention haben sich die Chancen für ein selbstbestimmtes Leben für Menschen mit geistiger Behinderung verbessert. So selbstständig wie möglich sollen Menschen mit Behinderungen leben können, - so will es auch das Bundesteilhabegesetz. Eine selbstständige und unabhängige Lebensführung birgt aber zugleich das Risiko, Suchtmittel zu erwerben und zu konsumieren. Das Bundesmodellprojekt TANDEM des Bundesministeriums für Gesundheit zielt darauf ab, Menschen mit geistiger Behinderung bei einem Suchtproblem eine adäquate Unterstützung zu bieten. Der Caritasverband im Kreis Coesfeld ist einer von bundesweit drei Projektstandorten und bietet Hilfen für genau diese Zielgruppe an.
Das Projekt "TANDEM" ist im Jahr 2018 mit dem Ziel gestartet, die Behinderten- und Suchthilfe zu vernetzen und dadurch die Hilfeangebote für Menschen mit einer Behinderung und Suchtproblematik bedarfsgerecht auszugestalten. Bislang fehlt bundesweit eine umfassende Versorgungsstruktur mit geeigneten suchttherapeutischen Angeboten. Im Rahmen des Projektes hat der Caritasverband die Fachstelle für Suchtberatung inklusive aufgebaut. "Ein konstruktiver Umgang mit Suchtmitteln oder den neuen Medien ist in den meisten Fällen von Menschen mit einer Behinderung nicht erlernt worden", erklärt Birgit Feldkamp, Teamleiterin Suchtberatung und Suchtprävention beim Caritasverband. In Einrichtungen der Behindertenhilfe leben bereits seit vielen Jahren einzelne Menschen mit einer Alkoholerkrankung oder Nikotinabhängigkeit. So hat der Verband schon frühzeitig den Beratungsbedarf und die Notwendigkeit, die Eingliederungs- und Suchthilfe zu verzahnen, erkannt. Durch das "TANDEM" Projekt wurde eine Schnittstelle geschaffen, um ein zielgruppenspezifisches Hilfeangebot aufzubauen. So gab es laut Birgit Feldkamp bislang kaum geeignete Beratungs-und Therapieangebote, um Menschen mit geistigen Behinderungen und mit kritischem oder abhängigem Konsum zu unterstützen.
Durch die Zusammenarbeit der Behinderten- und Suchthilfe konnte eine noch intensivere Vernetzung neue Hilfeangebote erarbeitet werden. "In der Zusammenarbeit mit den Betroffenen ist der Gebrauch von Leichter Sprache grundlegend, ebenso wie die Wiederholung von Inhalten, um diese zu festigen - so wie bereits bei den laufenden Beratungskontakten in der Einzelfallhilfe praktiziert", führt Tim Reißmann, Einrichtungsleiter des Caritas-Wohnhauses Ascheberg, aus. "Durch Inklusion können immer mehr Menschen mit Behinderungen aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Die Teilhabe beinhaltet dabei ebenso Gefahren, die von einer Suchterkrankung ausgehen können. Denn Menschen mit und ohne Behinderung können gleichermaßen eine Sucht bzw. ein Suchtverhalten entwickeln", so Birgit Feldkamp. "Das kann der Umgang mit Alkohol und Zigaretten sein oder auch mit illegalen Drogen", sagt Tim Reißmann. "Wir beobachten bereits seit Jahren einen Anstieg der Online-Sucht. Aufgrund dieser Erkenntnis wurde durch das Bundesministerium der Projektauftrag erweitert mit dem Ziel, einen Baustein zur Begleitung von internetbezogenen Störungen für die Zielgruppe zu entwickeln."
Durch die Erkenntnisse aus dem "TANDEM" Projekt konnte die Zusammenarbeit der beiden Fachbereiche der Eingliederung- und Suchthilfe noch enger miteinander vernetzt werden. "Die neue Fachstelle hat derzeit ein Alleinstellungsmerkmal im Kreis Coesfeld, da wir auf die Zielgruppe abgestimmte Hilfeangebote anbieten können", betont Reißmann. "Wir implementieren damit ein innovatives und wichtiges Hilfeangebot, das einen Beitrag zu gelingender inklusiver Gesundheitsversorgung leistet, so wie es in der UN-Behindertenrechtskonvention im Artikel 25 zur gleichwertigen gesundheitlichen Versorgung für Menschen mit Behinderung gefordert ist", betont Reißmann abschließend.