"In der Schule hatte ich keine Lust auf Religionsunterricht", blickt Benjamin Wieger auf seine Kindheit und Jugend zurück. Bis zu seinem 22. Lebensjahr besaß er, dessen Mutter aus der Türkei stammt, einen türkischen Pass, wodurch er automatisch als muslimisch galt. "Ich hatte früher Freistunden und fand es klasse", schmunzelt er, der weder dem evangelischen noch dem katholischen Religionsunterricht zugeteilt wurde. Auch zuhause spielten christliche Traditionen und Feste kaum eine Rolle. Erst ein Praktikum in einer Kinderheilstätte, bei dem er am Religionsunterricht der Kinder teilgenommen hat, führte ihn an dieses Thema heran. Dasselbe Praktikum hat ihn außerdem dazu inspiriert, eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger zu machen. Nach erfolgreichem Abschluss und kurz vor seiner Festanstellung wurde auf einmal seine Religiosität thematisiert. Benjamin, dessen kultureller Hintergrund eigentlich nie im Konflikt mit seiner Arbeit stand, hat sich daraufhin gegen die Stelle entschieden.
"Danach war ich ein bisschen orientierungslos", erzählt Benjamin - bis er mit 25 Jahren ein Studium an der Universität Osnabrück begann. Neben Pflegewissenschaft als Erstfach wählte er katholische Theologie als Zweitfach - einzig und allein aus pragmatischen Gründen. Im Studium hat er sich aus einer wissenschaftlichen Perspektive heraus mit Religion beschäftigt. Er hat das Alte Testament mehr als einmal gelesen und dabei gelernt, Werte und Inspiration in verschiedenen Religionen zu finden. Seine heutige Verbundenheit liegt nicht in einer bestimmten Konfession, sondern in der Kraft der Gemeinschaft. "Ich glaube an die Gemeinschaft", sagt er, "und daran, dass Menschen aus den Geschichten der Bibel Kraft schöpfen können."
Benjamin Wieger arbeitet seit fünf Jahren beim Caritasverband.Caritas Coesfeld
Nach seinem Bachelor hat Benjamin gezielt nach Stellen im Bereich "Pflege" bei katholischen Trägern gesucht. Sein kultureller und akademischer Hintergrund hat den Caritasverband für den Kreis Coesfeld überzeugt: Seit fast fünf Jahren arbeitet Benjamin nun schon als stellvertretende Einrichtungsleitung in der Sozialstation Dülmen, deren Ziel es ist, pflegebedürftigen Menschen möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben zu Hause zu ermöglichen. Dabei sieht er seine nicht-katholische Herkunft nicht als Hindernis, sondern als Bereicherung für den ambulanten Pflegedienst. Durch seine kulturellen Wurzeln kann er Brücken bauen - vor allem für Klienten*innen mit muslimischem Hintergrund. Er sensibilisiert sein Team für kulturelle Unterschiede, etwa wenn es darum geht, die Schuhe in der Wohnung von Klienten*innen auszuziehen.
"Viele Menschen glauben fälschlicherweise, dass sie sich aufgrund ihrer Religion nicht an die Caritas wenden können, weder als Mitarbeiter*in noch als Klient*in - dabei ist genau das Gegenteil der Fall", stellt Benjamin überzeugend fest. Sein Werdegang zeigt, dass die Caritas ein Ort ist, an dem Vielfalt gelebt wird. Es kommt nicht auf den religiösen Hintergrund an, sondern auf die Werte, die man teilt: Gemeinschaft, Mitmenschlichkeit und das Bestreben, anderen zu helfen. Die Türen der Caritas sind offen für alle, unabhängig von Herkunft, Religion und Situation. Darauf macht auch die Jahreskampagne des Deutschen Caritasverbandes aufmerksam: "Da kann ja jeder kommen" - und das ist wortwörtlich gemeint.
Weitere Informationen zur Caritas-Jahreskampagne finden Sie hier.