Jochen ElteCV
Herr Elte, der Alltag von Familien ist im Moment komplett auf den Kopf gestellt. Was hilft, um mit dieser neuen Situation klarzukommen?
Jochen Elte: Einen kühlen Kopf bewahren und dem Tag eine klare Struktur geben, das vermittelt Ruhe und Routine. Arbeits-, Pausen- und Freizeiten, ebenso wie gemeinsame Mahlzeiten sollten geplant werden. Kinder können bei Vielem mit eingebunden werden, zum Beispiel beim Zubereiten des Essens. Darüber hinaus können Gemeinschaftsspiele, Telefonate mit den Großeltern oder Freunden, aber auch Heimkino oder kleine Projekte im Haus oder Garten helfen, in dem gefühlten "Meer an Zeit" nicht ins Schwimmen zu geraten.
Sind durch dieses enge Beisammensein und angesichts der besonderen Herausforderungen nicht Konflikte vorprogrammiert?
Elte: Die Situation ist für alle neu, Spannungen sind da normal. Es gilt, Milde walten zu lassen. Vielleicht muss sich ein Familienmitglied mal "Luft machen". Gut so! Nach einer Runde um den Block sieht die Welt vielleicht schon anders aus. Danach ist es wichtig, keine weiteren Vorhaltungen zu machen. Genug ist genug. Hier denke ich vor allem an die Jugendlichen.
Trifft die Jugendlichen die aktuelle Situation besonders?
Elte: In gewisser Weise ja. Sie empfinden es als "Hausarrest", wie eine Bestrafung. Dabei ist das zu Hause für Jugendliche eigentlich ein sicherer Hafen, aus dem heraus sie die Welt entdecken. Nun sitzen sie in diesem Hafen fest und der platzt auch noch aus allen Nähten.
Wie können Eltern Ihnen helfen, damit umzugehen.
Elte: Die, manchmal zu Recht, kritisch beäugten sozialen Medien, können jetzt ein großer Segen sein. Jugendliche finden hier Entlastung, Gemeinschaft und Spaß. Daher sollten die Regeln zu Bildschirmzeiten etwas erweitert werden. Ganz grundsätzlich ist das jetzt nicht die Zeit für große erzieherische Maßnahmen. Erziehung ist immer Beziehung und in Beziehungen gibt es Gegensätze und Auseinandersetzungen, das ist ganz normal.
Was ist bei kleinen Kindern zu beachten?
Elte: Aus der Bindungsforschung weiß man wie sehr sich Anspannung und Aufregung der Eltern auf die Kinder übertragen. Kleine Kinder verstehen nicht, was los ist, aber sie spüren es. Sie reagieren darauf mit Stress und innerer Unruhe. Das kann sich durch Rückschritte in ihrer Entwicklung, zum Beispiel in der Sprache, zeigen.
Wie kann man ihnen ein gutes Gefühl geben?
Elte: Das gemeinsame Spielen ist eine gute Therapie zum Stress- und Angstabbau, dabei können auch kindgerechte Informationen zur Krise platziert werden. Grundsätzlich ist es das Wichtigste, das Eltern Ruhe bewahren, den Druck herausnehmen und die eigenen Batterien nicht vergessen.
Nicht so einfach, wenn die Sorge um die wirtschaftliche Existenz dazukommt.
Elte: Das ist richtig schwer. In der Beratung arbeiten wir viel mit Eltern und Alleinerziehenden, die auch ohne äußere Krisen häufig am Limit sind. Es hilft, sich hier zu erinnern, was trotz großer Schwierigkeiten bereits zusammen gemeistert wurde, das kann man auch mit den Kindern machen. Außerdem ist es heilsam, an die Zukunft zu denken und gemeinsam Pläne zu schmieden.
Die Erziehungsberatung des Caritasverbandes ist unter 02541-7205 4200 in der Zeit von 9-16 (freitags 9-13) Uhr erreichbar. Zeitunabhängig kann die Online-Beratung kontaktiert werden, zu finden auf: www.caritas-coesfeld.de.