"Der Weltfrauentag erinnert uns daran, über die Fortschritte nachzudenken, die Rechte der Frauen in der Gesellschaft zu reflektieren und sich weiterhin für Gleichberechtigung einzusetzen. Gleichberechtigung und Gerechtigkeit sind keine bloßen Wunschvorstellungen, sondern können durch Bildung, Bewusstsein und die Veränderung bestehender Normen und Strukturen Realität werden", sagt Nida Tompa, Sozialarbeiterin in der Flüchtlingsunterkunft am Hüttendyck in Dülmen. "Gleichzeitig rückt dieser Tag auch die noch bestehenden Herausforderungen und Ungleichheiten ins Blickfeld, die Frauen weltweit betreffen. In vielen Kulturen und Religionen, einschließlich des Islam, hat die Rolle der Frau eine vielschichtige Bedeutung, die oft von historischen, sozialen und politischen Kontexten geprägt wird. Der Koran spricht Frauen eine wichtige Rolle zu und betont ihre spirituelle Gleichwertigkeit zum Mann. Frauen haben das Recht auf Bildung, Besitz, Arbeit und gesellschaftliche Teilhabe. Doch die Umsetzung dieser Rechte ist oft von kulturellen Traditionen beeinflusst, die nicht immer die eigentlichen Grundwerte des Islam widerspiegeln."
Auch Tompa, die seit 2023 im Fachdienst Integration & Migration arbeitet, hat muslimische Wurzeln: Ihre Familie stammt aus Thrakien in Griechenland, sie selbst ist im Ruhrpott aufgewachsen und wurde von ihren Eltern muslimisch erzogen. Sie hat später Religionswissenschaft und Linguistik in Bochum studiert, heute spricht sie fließend Englisch, Deutsch und Türkisch und hat Grundkenntnisse in Französisch, Spanisch und Griechisch.
Gemeinsam mit Majda Mchiche, die aus Marokko stammt und den Fachdienst Integration & Migration leitet, nimmt sie anlässlich des Weltfrauentages die Situation der muslimischen Frau in den Blick: "In vielen Ländern, in denen der Islam als Religion vertreten ist, gibt es heute eine wachsende Bewegung von Frauen, die sich für ihre Rechte einsetzen. In Ländern wie Marokko, Tunesien, der Türkei und Indonesien haben Frauen erhebliche Fortschritte in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft erzielt. Ein besonders ermutigender Trend ist das steigende Engagement von Frauen in der Bildung. Auch in Deutschland gibt es zahlreiche Beispiele von geflüchteten Frauen aus islamischen Ländern, die bewusst für ihre Rechte eintreten und ihren eigenen Weg gehen." Auch im Kreis Coesfeld gebe es herausragende Beispiele von Frauen, die trotz schwieriger Startbedingungen ihren Platz in der Gesellschaft gefunden haben. Sie haben die deutsche Sprache gelernt, eine Ausbildung absolviert oder ein Studium begonnen und engagieren sich aktiv für andere geflüchtete Frauen.
Taghrid Khantomani und Wafa Sheiks Ahmed (von links nach rechts), zwei muslimische Frauen aus Syrien, haben sich nach ihrer Flucht erfolgreich in die Gesellschaft und ins Arbeitsleben integriert.privat
Ein beeindruckendes Beispiel ist Wafa Sheikh Ahmed, wie Mchiche berichtet. Sie ist eine 26-jährige Frau aus Syrien, die zurzeit in Köln ein Wirtschaftsstudium absolviert. Trotz anfänglicher Sprachbarrieren ließ sie sich nicht entmutigen und steht nun kurz vor ihrer Bachelorarbeit. "Sie ist eine Inspiration für andere geflüchtete Frauen und erleichtert ihnen den Einstieg ins Studium", betont Mchiche. Sie begleitet Sheikh Ahmed bereits seit 2016 und hat unter anderem bei der Organisation eines Stipendiums geholfen. "Auch jetzt noch ruft Wafa mich an, wenn sie Klausuren hat. Und ich muss nur sagen: ‚Wafa, du schaffst das!‘"
Auch Taghrid Khantomani aus Syrien zeigt, dass Bildung der Schlüssel zur Unabhängigkeit ist. Sie kam 2015 nach Deutschland, lernte innerhalb kürzester Zeit die Sprache und begann eine Ausbildung als Krankenpflegerin. Der Fachdienst Integration & Migration begleitete sie dabei von Anfang an. Heute ist Khantomani eingebürgert und arbeitet in einem Altenheim. "Sie leistet damit einen wertvollen Beitrag zur Gesellschaft", sagt Mchiche.
Viele geflüchtete Frauen im Kreis Coesfeld haben erfolgreich eine Ausbildung als Erzieherin, Krankenpflegerin oder Verwaltungsangestellte abgeschlossen und sich in das Berufsleben integriert. Sie sind nicht nur wirtschaftlich unabhängig geworden, sondern engagieren sich auch für andere geflüchtete Frauen, um ihnen Mut zu machen und den Weg zu ebnen.
"Diese Frauen stehen stellvertretend für viele andere, die sich bewusst für ihre Rechte, Gleichberechtigung und ein selbstbestimmtes Leben einsetzen. Sie zeigen, dass Bildung, Arbeit und gesellschaftliches Engagement zentrale Faktoren sind, um traditionelle Rollenbilder zu überwinden. Ihr Mut und ihr Einsatz verdeutlichen: Gleichberechtigung ist nicht nur ein Ideal, sondern eine Realität, die durch Bildung, Engagement und gegenseitige Unterstützung erreicht werden kann", fasst Tompa zusammen.