Wer in der heutigen Zeit mit einer geistigen Behinderung lebt, ist dank vieler inklusiver Angebote zumeist gut in die Gesellschaft integriert. Doch in dieser selbstständigen Lebensführung liegen nicht nur Chancen. "Dadurch ist auch das Risiko gestiegen, mit Suchtgefahren konfrontiert zu werden", erklärt Jürgen Pauly vom Bundesministerium für Gesundheit. Hier setzt nun das Modellprojekt "Tandem" des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe an, das die Expertise aus der Sucht- und Behindertenhilfe bündelt und mit drei Instrumenten diese Zielgruppe erschließt. Bundesweit gibt es für dieses Projekt nur drei "Tandems", einer dieser Projektpartner ist der Caritasverband für den Kreis Coesfeld mit dem Caritas-Wohnhaus in Ascheberg und den Werkstätten in Lüdinghausen und Nordkirchen. Die anderen beiden "Tandems" sind die Werkstatt des Martinshofs in Bremen und die Pfeifferschen Stiftungen in Magdeburg.
"Suchttherapien sind sehr komplex und lassen sich ab einem gewissen Punkt nicht mehr vermitteln", erläutert Projektleiter Markus Wirtz vom LWL das Problem. Hinzu kommt, dass die "erforderlichen Hilfen dort stattfinden sollen, wo die Menschen zu Hause sind", sagt Tim Reißmann, der sich als Leiter des Caritas-Wohnhauses in Ascheberg besonders freut, dass seine Einrichtung als ein "Tandem" ausgewählt wurde. Denn: "Mit unserem stationären Wohnangebot für 63 Menschen mit geistiger Behinderung und der geringen Schwelle in den Sozialraum sind auch Alkohol und Nikotin seit vielen Jahren Thema bei uns", so Reißmann. Allein eine spezielle Hilfe für den richtigen Umgang fehlte bislang. "Es gab immer mal wieder arbeitsbegleitende Maßnahmen mit externen Referenten, aber insgesamt viel zu wenig", sagt Katja Alfing, Werkstattleiterin in Nordkirchen. "Es waren alles einzelne Maßnahmen, die nur versucht haben, die Symptome einzudämmen", fügt Reißmann hinzu. Das Ziel von "Tandem" ist daher deutlich: "Wir wollen eine breite Versorgungsstruktur schaffen, die jetzt noch nicht vorhanden ist", gibt Wirtz die Marschroute vor. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt durch die Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich.
Das Projekt ist mit der Ausschreibung am 1. September 2018 gestartet, auf drei Jahre angelegt und in drei Instrumente unterteilt. "Am Anfang steht das Screening "Sumid-Q", das sich niedrigschwellig und breit mit einem Fragebogen an die Zielgruppe richtet", erklärt Projektkoordinatorin Linda Weweler. Das zweite Instrument ist das Präventionsprogramm "Sag nein!". Der dritte Baustein des Projekts ist eine angepasste verhaltenstherapeutische Maßnahme mit dem Titel "Less Booze or Drugs (LBoD), die in zwölf Einzel- oder Gruppensitzungen durchgeführt wird. Ein Projekttandem besteht aus jeweils zwei gut vernetzten Fachkräften pro Einrichtung, also vier Fachkräften pro Standort. "Es liegt noch viel Arbeit vor uns, aber am Ende der drei Jahre sollen die Instrumente so gut angepasst und erprobt sein, dass wir sie bundesweit möglichst vielen Einrichtungen zur Verfügung stellen können", sagt Markus Wirtz.
Pressemitteilung
Bundesmodellprojekt „Tandem“ verbindet Sucht- und Behindertenhilfe
Erschienen am:
16.04.2019
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