Die Diagnose kam im Frühjahr 2021. Demenz. Dann die Einstufung in den Pflegegrad 2. "Wir haben lange vorher darüber gesprochen, dass sich meine Frau doch einmal im Krankenhaus durchchecken lässt. Das Kurzzeitgedächtnis ließ nach, Dinge im Haushalt, die vorher kein Problem waren, wurden plötzlich zu einem", erinnert sich Hermann Prenger-Berninghoff.
Die Diagnose brachte zwar Klarheit, einfacher wurde es jedoch nicht. Im Gegenteil. "Über den Sommer konnte Ingrid zum Beispiel noch gut alleine kochen, aber ab Herbst musste ich helfen. Es hat sich sukzessive verschlechtert. Jetzt kochen wir nur noch zusammen", so der 84-Jährige, der mittlerweile auch den Rest des Haushalts wuppt. "Sie hat auch das Interesse an vielen Dingen verloren. Früher hat sie immer so schön dekoriert, zum Beispiel zu Weihnachten. Das übernehme ich jetzt, ich konnte mir ja viel abschauen", sagt er zwinkernd. Irgendwann konnte Hermann Prenger-Berninghoff seine Frau nicht mehr alleine lassen. "Sie hat das Zeitgefühl verloren. Ein kurzes Einkaufen war schon ein Problem. Sie konnte sich nicht mehr alleine beschäftigen. Fernseher und Zeitung waren uninteressant. Ingrid saß einfach auf dem Sofa." Nicht immer erkennt sie ihn noch.
Kristina Lind im Gespräch mit Hermann Prenger-Berninghoff, dessen Frau die Caritas-Tagespflege Coesfeld besucht. Jessica Demmer / Allgemeine Zeitung Coesfeld
Nach der Diagnose sei das Paar, das übrigens bald 54 Jahre verheiratet ist, noch gut ein Jahr zu Hause zurechtgekommen. Dann habe er sich, auch durch die Ermunterung seiner Töchter, dazu entschieden, die Hilfe der Caritas-Tagespflege in Coesfeld in Anspruch zu nehmen. Zunächst gab es einen Schnuppertag. "Da hatten wir beide schon ein gutes Gefühl. Ingrid kannte den einen oder anderen, sie war gut aufgehoben und ich hatte etwas Zeit, um Dinge zu erledigen." Aus dem Schnuppertag ist seit Mai 2022 feste Routine geworden. Zwei Mal die Woche bringt der Senior seine 79-jährige Frau morgens zur Tagespflege und holt sie nachmittags wieder ab. "Durch den ersten positiven Eindruck konnte ich gut loslassen. Jetzt kann ich viele Dinge erledigen oder einfach nur etwas für mich machen. Mit einem Buch auf der Terrasse sitzen oder mit meinen Walkingstöcken über den Coesfelder Berg gehen."
Und genau das sei das Ziel einer Tagespflege, wie Kristina Lind, Leiterin des Angebots des Caritasverbandes für den Kreis Coesfeld an der Osterwicker Straße, ergänzt: "Pflegende Angehörige erfahren eine Entlastung im Alltag und unseren Gästen bieten wir ein abwechslungsreiches Aktivierungsangebot. Wir machen jeden Tag Sport, lesen die Zeitung, sprechen über das frühere Berufsleben und die Familie." Hinter allem stehe der Wunsch trotz erhöhtem Pflege- und Betreuungsbedarf zu Hause bleiben zu können und dennoch Gesellschaft erfahren zu dürfen. "Manche Gäste kommen einmal, manche fünf Mal in der Woche. Sie sind zwischen 64 und 97 Jahre alt, maximal sind es 14 Gäste am Tag, insgesamt besuchen uns 30. Wir haben aber auch noch freie Kapazitäten. Ob Schlaganfall, Demenz, Multiple Sklerose oder einfach Bluthochdruck - die Diagnosen sind ganz verschieden." Für Hermann Prenger-Berninghoff ist das Angebot der Tagespflege auf jeden Fall genau richtig. "Ich bin froh, dass es sie gibt und kann sie nur empfehlen. Denn nur wenn man Zeit für sich hat und gesund bleibt, kann man für den anderen da sein."
Finanzierung
Finanziert wird der Besuch der Tagespflege über zwei Töpfe. Über den Pflegesatz, der mit der Einstufung in einen Pflegegrad einhergeht, und über sogenannte Entlastungsleistungen. "Mit dem Pflegegrad 2 ist zumindest ein Besuch in der Woche ohne große Zuzahlung möglich", erläutert Kristina Lind, Leitung der Caritas-Tagespflege in Coesfeld. "Ich glaube, ganz viele wissen gar nicht, was genau eine Tagespflege ist und was ihnen überhaupt zusteht." Ein Besuch ist ganz in Eigenleistung ebenfalls möglich. Über die beiden genannten Töpfe seien auch Leistungen für eine ambulante Pflege zu Hause abzurufen, wie Daniel Weigert, Leiter der Caritas-Sozialstation an der Letter Straße, erläutert. "Wir leisten Unterstützung zu Hause, beide Angebote können auch zusammen in Anspruch genommen werden."
Bericht / Quelle: Jessica Demmer, Allgemeine Zeitung Coesfeld